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Finanzwelt, Forschung und Lehre: Ein Blick in die Gedankenwelt von Prof. Dr. Thorsten Hens

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Finanzwelt, Forschung und Lehre: Ein Blick in die Gedankenwelt von Prof. Dr. Thorsten Hens

Warum verhalten sich Anleger oft „irrational“? Warum folgen Menschen Trends, auch wenn es ihnen schadet? Und wie können wir Finanzmodelle verbessern, um die Realität besser abzubilden? Diese Fragen beschäftigen Prof. Thorsten Hens seit Jahren. Als Experte für Financial Economics und Behavioral Finance und Vertreter der Evolutionary Finance setzt er sich dafür ein, dass Finanzmodelle nicht nur theoretisch elegant, sondern auch deskriptiv in der Praxis nützlich sind.

In einem exklusiven Interview mit OecNews gibt uns der Professor spannende Einblicke in sein Leben, erzählt von überraschenden Ergebnissen aus der Forschung und gibt im Anschluss darauf wertvolle Tipps an die Studierenden weiter.

OecNews: Was hat Sie ursprünglich in die Finanzwelt gebracht? War das schon immer Ihre Leidenschaft oder eher ein glücklicher Zufall?

Nein Finanzen waren nicht immer meine Leidenschaft. Es war eher ein langer Weg für mich. Ich komme aus der Arbeiterschaft im Ruhrgebiet, da galt die Welt der Finanzen als eher böse. Jedoch war – und bin – ich sehr neugierig und akzeptiere keine Vorurteile. So habe ich dann begonnen Ökonomie und später Finanzen zu studieren. Ich finde die Welt der Finanzen faszinierend, da sie alle Aspekte des Lebens umfasst. Wenn man am Aktienmarkt investiert ist, muss man plötzlich Experte in Virologie oder in Kriegen werden, um nicht auf dem falschen Fuss erwischt zu werden.

OecNews: Wie würden Sie einem Laien in einem Satz erklären, worum es in Ihrem Forschungsgebiet geht? Was ist der grösste Irrglaube, den andere über Financial Economics haben?

In Financial Economics versucht man die Welt der Finanzen durch ökonomische Grundideen wie Optimierung (von Investoren und Firmen) und Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage zu verstehen. Der grösste Irrglaube ist meines Erachtens, dass man glaubt, die Welt der Finanzen nur mit Rationalität der Entscheidungsträger verstehen zu können und deshalb ein zu eingeschränktes Verhaltensmodell benutzt.

OecNews: Verständlich. Kaum ein Modell aus der Finanztheorie kann tatsächliche Ergebnisse aus der Empirie vollkommen rechtfertigen, denn schlussendlich sind wir Menschen, die nicht immer nur nach Abwägung des Kosten-Nutzen Kalküls handeln. Gibt es aber trotzdem eine Finanztheorie oder ein Konzept, was Sie besonders fasziniert?

Ja – das Capital Asset Pricing Modell, da es so einfach ist und doch wesentliche Aussagen treffen kann und in allerlei Richtungen erweitert werden kann, ohne seine Grundideen zu verwerfen: Heterogene Erwartungen, Hintergrundrisiken und Heterogenes Verhalten zum Beispiel.

OecNews: Was ist die bisher spannendste Erkenntnis aus Ihrer eigenen Forschung?

Eine kleine Überraschung war, dass ich das CAPM 60 Jahren nach seiner Entwicklung auf heterogenes Verhalten erweitern konnte. Bis anhin dachte man immer, dass es für die Hauptaussage des CAPM notwendig ist, dass alle Investoren Mean-Variance Analyse machen, sodass die besten Investoren, wie Buffett, der Value Investing macht, nicht darin vorkommen durften. Die grösste Überraschung war aber, dass ich eine dynamische Portfoliotheorie entwickeln konnte, die jede Art von Verhalten erlaubt und dennoch nicht im Chaos endet, sondern eine sehr stabile Struktur, sogenannte evolutionär stabile Strategien, aufweist.

OecNews: Ich nehme an Sie sprechen von der Evolutionary Finance, welche die Finanzstudenten im Kurs Financial Economics bei Ihnen näher kennenlernen dürfen. Es ist ein äusserst spannendes Thema, das die Finanzwelt aus einer neuen Perspektive beleuchtet. Welche aktuellen oder zukünftige Forschungsthemen in der Finanzwirtschaft halten Sie für wegweisend und warum? Haben Sie Sorgen bezüglich der Zukunft der Finanzwissenschaften?

Die Finanzwissenschaft ist sehr modisch. Im Moment ist nachhaltiges Investieren ins CAPM eingebaut worden und bald brauchen wir vielleicht das Kriegs-CAPM. Aber meine grösste Sorge ist, dass die Studierenden nicht mehr lernen, wie man Finanzmodelle entwickelt, weil sie nur noch Regressieren lernen – dabei heisst Regressieren ja eigentlich zurückgehen. Wir sollten häufiger mal nach vorne gehen!

OecNews: Ich glaube, viele Studierende sind sich der Vielseitigkeit und Flexibilität des CAPM-Modells gar nicht bewusst. Die Entwicklung von Finanzmodellen erfordert nicht nur ein fundamentales Verständnis über zugrunde liegende Konzepte, sondern auch die kritische Hinterfragung von bisherigen Modellen. Der Schritt nach vorne ist nicht einfach, und viele bleiben verständlicherweise lieber beim vertrauten Regressionstool im Excel. Aber manchmal braucht es nur ein wenig Glück, und jemand entdeckt eine neue Theorie, die das Verhalten am Finanzmarkt noch intuitiver erklären kann. Können Sie uns vielleicht ein Beispiel nennen, wo ein glücklicher Zufall zu einer wichtigen Erkenntnis geführt hat, sei es in der Forschung oder in der Lehre? Spielt Glück überhaupt eine Rolle in der Forschung für Sie?

Ohja – ohne Glück ist es schwer am Finanzmarkt zu investieren und ohne Eingebung, was man je nach spirituellem Auffassen auch Glück nennen kann, ist es schwer zu forschen. In meiner Forschung war es sehr entscheidend, dass ich vor ca. 15 Jahren am Flughafen Heathrow eine grosse Verspätung hatte und mir dann aufgefallen ist, wohin die dynamische Erweiterung des CAPMs konvergiert, welches die Interaktion der Anlagestrategien beschreibt.

OecNews: Es ist schön zu hören, dass auch bei Ihnen Glück eine grosse Rolle spielt. Als Finanzexperte der gleichzeitig in der Forschung, an der Uni und bei Pensionskassen tätig ist, was ist Ihr Trick gegen Burnout? Was können Sie den Studenten weitergeben bezüglich „work-life-balance“?

Ja – ich arbeite viel – sogar sehr viel. Aber ich mache auch viel Sport und habe ein gesundes Gottvertrauen. Ich weiss, dass da jemand ist, der es gut mit mir meint. Ich fühle mich jederzeit „wunderbar geborgen“ wie Dietrich Bonhöffer es ausgedrückt hat.

OecNews: Also eine gute Balance zwischen körperlicher Fitness und spirituellem Wohlbefinden. Das wird einige Studenten und Studentinnen sicherlich motivieren, den ASVZ öfter zu besuchen. Gibt es Aspekte aus Ihrem früheren Studentenleben, welche Sie heute vermissen? Wie hat sich das Studentenleben in Ihren Augen verändert?

Das ist schwierig zu sagen. Ich war auch als Student fleissig – aber ich war damals auch jung und verliebt – das überlagert dann die Erinnerung an die Zeit. Sicherlich waren die Partys wilder als heute – aber das ist auch eine Frage des Alters.

OecNews: Ich befürchte, wir werden keine Aufzeichnungen von Ihren früheren Partys finden, dabei hätten wir sicherlich viel dabei lernen können! Aber genug davon: Wenn wir schon beim Lernen sind, das Fach Financial Economics kann vielen Studierenden grosses Kopfzerbrechen bereiten; gibt es häufige Fehler, die Studierende in diesem Fachgebiet machen?“

Aus meiner Sicht ist das Schöne an Financial Economics, dass es eine präzise Wissenschaft ist – zumindest in der Theorie. Aber um dies schätzen zu können, muss man leider die Sprache der Präzision, die Mathematik, verstehen. Für mich waren immer die Fächer schwierig, die nicht so präzise waren und dann mit Ansichten, wie zum Beispiel der „herrschenden Meinung“ argumentierten.

OecNews: Die Mathematik ist eine herausfordernde Wissenschaft, die weit in die Tiefe geht und dies rechtfertigt auch die Abneigung, die viele gegenüber Ihr zeigen. Aber nicht der Mathematik ausweichen, sondern sie als Werkzeug zur Lösung komplexer Fragestellungen anerkennen. – Ich nehme an, das ist die Nachricht, die Sie an die Studentenschaft weitergeben möchten. So herausfordernd die Formeln und Finanzmodelle auch sein mögen – schliesslich hat jede Person ihre eigenen Kämpfe zu meistern. Darf ich Sie abschliessend fragen, was für Sie persönlich die grössten Herausforderungen sind, beispielsweise beim Dozieren?

Aktuell ist die grösste Herausforderung die Digitalisierung. Ich habe gerne eine gute Interaktion in meinen Vorlesungen. Ich stelle häufig Fragen und freue mich über jede Antwort. Aber viele Studierende bleiben lieber zu Hause und schauen nur den Podcast an.

OecNews: Vielen Dank Herr Professor, dass Sie Ihre Einsichten mit uns geteilt haben. Ich fürchte, der Digitalisierung können wir alle nicht mehr entkommen. Aktuell erleben wir sogar die „Generative AI“-Revolution und die Bedeutung technischer Mittel wird nur weiterhin zunehmen. Die Bereitstellung von Podcasts bringt sowohl Vorteile als auch Herausforderungen mit sich. Einerseits hat sich das Studienumfeld erheblich verändert: Immer weniger Studierende erscheinen in den Vorlesungen, und immer häufiger müssen Professoren vor einem nahezu leeren Raum unterrichten. Die persönliche Interaktion, die Diskussionen und das direkte Feedback fehlen oft, was für viele Studierende und Lehrende eine große Lücke darstellen kann. Andererseits wird das Studium aber für mehr Menschen zugänglich, insbesondere für jene, die nebenbei arbeiten und nicht regelmäßig zur Universität kommen können. Dies ist vor allem an der Wirtschaftsfakultät der Fall.

Es war spannend, die Perspektiven von Professor Hens zu praktischen Finanzmodellen zu hören, sowie seine Zukunftsaussichten zur Finanzwirtschaft. Wir können nur hoffen, dass die Studierenden von seiner Leidenschaft für das Fach und seiner Bereitschaft, über den Tellerrand hinauszublicken, inspiriert werden, und vielleicht bald eigene Finanzmodelle entwickeln, die nach vorne blicken.

Wir bedanken uns für das aufschlussreiche Gespräch und wünschen Professor Hens weiterhin viel Erfolg bei seiner Forschung und Lehre.

Ein Beitrag von Anran Zhu.

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